Sonntag, 17. Oktober 2021
10.09.21 Kobarid
Maschine, wenn du mehr als ein paar Sekunden im Wasser bleibst. L. :"Das ist ein Kühlschrank für deine Spermien." L. und F. stehen schon ewig da im Wasser. Sie wollen das wirklich. Eigentich ist es nicht aushaltbar. F. : "Ich glaub' das ist gar nicht so schlimm. Deshalb hängen die ja auch draußen mann, weil sie es kälter brauchen." Die beiden bekommen wieder Stimmbruch. Der Fluss ist ein Jungbrunnen, jedes Mal reingehen ein paar Jahre jünger. Da muss man auch ein bisschen aufpassen, sonst sitzt man wieder unterm Tisch.

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Samstag, 16. Oktober 2021
09.09.21 Slowenien, Kobarid
Die Berge sind kühl und dunkel, sie lösen bei dir aus, aber du weißt auch nicht genau was. Es ist wie Urgefühl von ganz früher und du kannst es nicht mehr deuten, merkst, es liegt da in deinem Bauch. Wackersteinmäßig, aber angenehm. Das Wasser der Soca ist unfassbar, der Fluss ist helltürkis und lebendig, mit reizender Kraft kommt er aus den Bergen. Klar ist er, bis zum metertiefen Grund. Wir trinken das Wasser. Das Ufer ist aus weißem Fels.
Immer wieder stürzen wir uns mit angeschlagenen Beinen vom Ufer in die Fluten, wir springen auch von den Felsen und sehen dabei die Steine am Boden. Du musst schreien, wenn du dich rein wirfst, schwerelos, die Strömung reißt dich mit. Schnaufend und zitternd sitzen wir am Ufer, von drei Minuten schwimmen, so kalt ist das Wasser. Wenn du nicht schreist, hältst du es nicht aus. Die Sonne brezelt mit all ihrer Brezelkraft, sie brennt die Kälte des Flusses aus uns heraus. Die Köpfe werden uns heiß. Wir brauchen nicht mehr reden. Würde unser Körper uns nicht zusammen halten, wären wir schon zu dem um uns herum geworden. Die Natur ist hier anders, lebendig, Moos an den Steinen. Sie klopfen an deine Füße.

Es ist Abend und die Berge golden angeleuchtet, eine Kirchturmspitze sticht schlank und glatt aus dem Grün. Vor einem Campingwagen sitzt ein altes Paar. Sie: in einem engen Streifennicki, er: mit Zigarre, die Asche hängt zentimeterlang an der Spitze. Sie haben sich nichts zu sagen, sie brauchen sich nichts sagen. Das haben sie ja schon gemacht. Sie müssen sich auch nicht ansehen, kennen ja ihre Gesichter. Sie sitzen und strahlen vor Ruhe, tief verwurzelt im zusammenklappbaren Campingsitz.
Die Frau malt ihn. Von Anfang an hat sie das gemacht. Damals, als sie sich kennen gelernt haben, als sie noch nicht jede Falte in seinem Gesicht kannte. Da haben sie sich hingesetzt, wo sie gerade waren und sie hat ihren Gustav gemalt. Sandra hört nicht, dass er sie anspricht, die Brauen hat sie nach oben gezogen, den Mund gerade und schmal, das Gesicht leer. Der Blick wechselt zwischen Papier und seinem Gesicht hin und her. Natürlich müsste sie das nicht machen, sie weiß ja wie das ist, könnte es auch aus dem Kopf. Jetzt merkt sie, dass sie fertig ist und blickt auf. Sie sieht wie sich das Licht verändert hat, ihre Bewegungen sind jetzt wieder ihre. Sie lächelt.

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Freitag, 15. Oktober 2021
Kraftfahrtrast
Ich sitze auf dem Boden neben dem Auto. Langsam zieht sich die Wärme des Autos von mir, aus meinem Gesicht zurück. Das Auto lebt. Es atmet. Leg deine Hand sanft darauf, hab keine Angst dich zu beschmutzen. Spürst du seine Wärme? Das Auto trägt dich. Es will nichts von dir, du willst etwas von dem Auto. Es legt seine metallenen Rippen um dich, ein kleiner Puffer zwischen dir und Außen. Wenn du hinten sitzt ist das dein Fenster zur Welt und du siehst, alles ist in Bewegung und plötzlich verstehst du das. So wie wenn man die Hand aus dem Fenster streckt und Wellenbewegungen mit dem Arm macht, dann weiß man auch, dass das ungefähr Freiheit sein muss. Die Bäume zeigen jetzt ihre scharfen Silhouetten, der Himmel wird blass und dunstig, bald beginnt das Geflüster der Nacht und in den Bergen ist das anders und der Wind weht noch mal. Wir fahren weiter und werden im Schwarzem ankommen, in Kobarid an der Soca. Hier ist unser Campingplatz, wir schlagen die Zelte im Dunkeln auf und es könnte überall sein, wo wir morgen aufwachen.

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