Samstag, 9. Oktober 2021
07.09.21 Von Weimar nach München
Wir müssen tanken bevor wir auf die Autobahn fahren. Es ist noch früher, blauer Morgen. Vor 500 bunten Zigarettenpäckchen, hinter der werbungsvollen Scheibe, die Verkäuferin. Die Ringe unter ihren Augen sind tief, die Brauen zusammen gezogen, ihre Lippen schmal. Noch blass am Morgen, aufgequollen. In den 70ern war sie eine Schönheit, das sieht man. Jetzt ist ihr Gesicht geschichtet. Die Haare sind ein Wasserfall an einem grauen Tag. Was schreibt sie da, mit nach unten gerichtetem Blick? Gedichte, oder über ihre Träume? Wer holt sie später nach der Arbeit ab? Was macht sie in ihrer Pause? Sie sieht gezeichnet aus, wovon?
In der Jugend Lederjacke. Beide Füße, in hohen Schuhen, fest auf dem Boden. Überall hingegangen, den Kopf hoch über der straffen Brust und dann?
Ein Paar betritt die Tankstelle, es ist aus dem vor uns haltenden Auto ausgestiegen. Bei ihnen ist alles anders. Das Auto offen und türkis, die Scheiben unten. Keinen Gang alleine, alles Hand in Hand. Sie tragen identische Batik-Shirts und Stützstrümpfe. Einiges hat sich seit damals geändert, seit sie sich kennen gelernt haben. Rundgefahren sind sie jetzt und nicht mehr so schnell. Aber sie trägt immer noch ihre rote Dauerwelle, allerdings eine Cystein Dauerwelle jetzt. Das ist schonender, die Schwefelbrücken der Haare werden hier gezielter gelöst, als bei der alkalischen. Um ihren Hals baumelt das Unendlichkeitssymbol in gold. Sie lösen die verschränkten Hände vor den Gummibärchen.
Wir schlafen bei einer bekannten von A., aber nicht alle, wir sind aufgeteilt. Sieben Leute und ich, im schlüpferrosa Haus, am Rand von München. Blick in den vielgrünen Garten. Glitzerlampen in den Ecken und Lebkuchenherzen an den Wänden, an der Decke Pflanzen. In dieser Küche wird nicht gekocht, hier wird gezaubert. Wir essen. "Wie wären Spaghetti als Mensch?" "So richtig unangenehm, du ziehst sie hoch und dann hast du Soße auf deinem Hemd." "Was wärt ihr für ein Essen?" "Ich wär Haferbrei, einfach, aber kombinierbar." "Kann man überhaupt Leute als Essen sehen? Könnt ihr irgendjemanden als Essen sehen?" "D. könnte so 'ne Suppe sein, weil sie so lebendig ist." "Ich find' Suppe gar nicht lebendig. Du wärmst sie 100 Mal auf. Noch am fünften Tag wärmst du sie auf." "Aber dann ist sie immer noch gut." "Nee, so ne graue Suppe." "Wer weiß wie D. ist, am fünften Tag aufgewärmt?" "Immer noch gut!"

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Reis girl
Hallo,
Ich wäre wohl Reis wenn ich ein Essen wäre, man kann es mit allem kombinieren UND auch noch süß garnieren! Was sagst du Jo?
Lg

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